Zulassungspflicht für Online-Kurse: Für wen sie gilt und für wen nicht

09. Mai 2023 Lesedauer: 5:00 Minuten
Online Kurse

Bitte Update (30.01.2024) am Textende beachten.

Was haben Digistore24, Jan Böhmermann und das OLG Celle gemeinsam?

Alle haben sich in den letzten Monaten mit dem Thema e-Learning und dem Fernunterrichtsschutzgesetz (kurz FernUSG) beschäftigt.

Das FernUSG ist nicht neu. Es stammt sogar schon aus dem Jahr 1977. Damals hatte natürlich niemand Online-Kurse im Kopf, wie sie heutzutage von der Aufmachung und dem Umfang her angeboten werden können.

Nichtsdestotrotz wird das Gesetz von den Gerichten auch auf aktuelle Schulungsformate angewendet.

Sinn und Zweck des Gesetzes besteht darin, die Nutzer vor unzureichenden oder unseriösen Bildungsangeboten zu schützen, die möglicherweise nicht den erforderlichen Qualitätsstandards entsprechen oder über den tatsächlichen Wert der angebotenen Leistungen täuschen.

Diesen Punkt hatte Jan Böhmermann in seiner Show aufgegriffen. Er hat unseriöse Online-Coaching-Anbieter an den Pranger gestellt und aufgezeigt, dass es immer schwerer wird, die Guten von den Schlechten zu unterscheiden.

Das OLG Celle hat am 01.03.2023 entschieden, dass das FernUSG auf alle Kurskonzepte Anwendung findet, egal ob der Vertrag mit Verbrauchern oder Unternehmern abgeschlossen wird. Und es hat die Möglichkeiten der „Lernerfolgskontrolle“ (= eine Voraussetzung für die Anwendung des FernUSG) auch auf WhatsApp-Kommunikation und Mitgliederbereiche ausgedehnt [zu den Voraussetzungen unten mehr].

Ich nehme an, das war auch der Grund, warum nun Digistore24 seine Kunden angeschrieben hat. Die Plattform hat neue Genehmigungskriterien für die Kurse festgelegt. Künftig gilt:



DÜRFEN DIE DAS???

Digistore24 beruft sich auf das Fernunterrichtsschutzgesetz und begründet die Einschränkungen damit, dass du ansonsten eine staatliche Zulassung für deine Kurse und Coachings brauchst. Andernfalls drohen Bußgelder und Abmahnungen.

Ja es gibt das FernUSG wirklich und ja, es gibt Urteile, die festgestellt haben, dass bestimmte Anbieter für ihr Online-Lernkonzept eine Zulassung gebraucht hätten.

Mit der Konsequenz, dass wenn man die nicht hat, der Vertrag nichtig ist und die Kunden auch nach Ende des Kurses die Gebühren zurückfordern können.

Aber bitte keine Panik ...

Nicht jedes Online-Angebot fällt unter das FernUSG.

Solange der Anteil an Selbstlernparts nicht überwiegt, also der Live-Anteil deines Kurses mindestens 51% beträgt, liegt kein Fernunterricht im Sinne des FernUSG vor.

Aufzeichnungen sind dann aber nicht erlaubt (siehe unten).

Dazu eine Grafik wie man sie auf der Seite der Staatlichen Zentrale für Fernunterricht findet:

Fernunterricht
Quelle: Staatliche Zentrale für Fernunterricht, https://www.zfu.de/veranstaltende.html , Stand 07.05.2023.



Ein Online-Personal Training samt WhatsApp Support fällt meines Erachtens daher nicht unter das Fernunterrichtsschutzgesetz.

Auch Kurse, die nach Inhalt und Ziel ausschließlich der Freizeitgestaltung dienen, sind nicht betroffen.

Allerdings darfst du den Kurs dann nicht Lehrgang nennen und auch keine Zertifikate oder ähnliches verteilen.

Aufgrund der vielen Nachfragen werde ich euch jetzt ausführlich über das Fernunterrichtsschutzgesetz informieren und erklären, für wen es gilt und was es für Auswirkungen hat.


WAS HEISST DAS JETZT FÜR MICH?

Wir müssen prüfen, ob dein Kursformat, Coaching & Co unter das FernUSG fällt.

In § 1 FernUSG heißt es:

Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der

1. der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und
2. der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.

Nur wenn du alle 4 Voraussetzungen erfüllst, ist das FernUSG auf dich anwendbar:

1. Entgeltlich

Wenn du den Kurs verkaufst, ist er entgeltlich.
Wer kostenlos Online-Kurse anbietet, ist (in der Regel) nicht betroffen.

2. Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten

Entscheidend ist, was tatsächlich gemacht wird und nicht die Bezeichnung. Ein klassisches Coaching fällt wohl nicht unter das FernUSG. Wenn aber in einem Online-Business-Coaching auch Wissen vermittelt wird, z.B. zum Marketing oder SEO, stellt dies einen Lehrgang im Sinne des FernUSG dar.

3. Räumlich getrennt

Online bedeutet nicht automatisch „räumlich getrennt“.

„Räumlich getrennt“ beinhaltet eine zeitliche Komponente. Das bedeutet, dass Veranstalter:in und Teilnehmende nicht zur selben Zeit online sein dürfen.

Erfolgen die Online-Seminare zeitgleich, also live, und können diese nicht zusätzlich auch als Aufzeichnung abgerufen werden, liegt kein Fernunterricht im Sinne des FernUSG vor.

Oftmals bestehen die Konzepte aus einem Mix von Live-Kursen und Selbstlern-Teilen.
Solange der Anteil an Selbstlernparts nicht überwiegt, also der Live-Anteil mindestens 51% beträgt, liegt auch kein Fernunterricht im Sinne des FernUSG vor.

Achtung: Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte man jedoch auf Aufzeichnungen verzichten. Live bedeutet dabei tatsächlich live, ohne die alternative Möglichkeit sich die Lerneinheit auch wann anders angucken zu können!!!

4. Lernerfolg überwachen

Das ist der schwierigste Part. Die Streite vor Gericht drehen sich auch (fast) alle um diese Voraussetzung.

Bitte beachten: Wenn du bis zu diesem vierten Merkmal in der Prüfung kommst, bedeutet das, dass die anderen drei bereits auf dich zutreffen müssen. Bei den bisherigen Urteilen war das der Fall. Die Kurskonzepte hatten einen Anteil an Selbststudium von mehr als 50 % oder haben alternativ den Lernstoff auch als Aufzeichnung angeboten.

Der Begriff Lernkontrolle ist seeehhhr weit auszulegen. Eine Lernerfolgskontrolle ist nach der Rechtsprechung bereits gegeben, wenn der Lernende die Möglichkeit hat mündliche Fragen zum Lernstoff zu stellen. Lediglich der reine Selbstlernkurs fällt nicht unter das FernUSG.

Wer also zusätzlich zur Wissensvermittlung Q&A Calls, WhatsApp-Support oder ähnliches anbietet, ermöglicht eine „individuelle Lernerfolgskontrolle“.

Auch folgende Produktbezeichnungen haben den Gerichten ausgereicht, um eine Lernkontrolle anzunehmen:


Kurz und knapp: Es darf keinen individuellen, fachlichen Support zu dem Online-Kurs geben, andernfalls unterfällt er dem FernUSG.


WAS IST DIE KONSEQUENZ?

Wenn das FernUSG auf dich anwendbar ist, dann brauchst du tatsächlich eine Zulassung.

Formal betrachtet ist der Betrieb eines Online-Coachings oder Kursangebots, welches unter das FernUSG fällt, ohne Zulassung rechtswidrig. Konkurrenten können dich abmahnen, Behörden ein Bußgeld verhängen und unzufriedene Kunden die Gebühr zurückverlangen.

Eine Zulassung beantragst du bei der Zentralstelle für Fernunterricht. Entsprechende Informationen findest du hier: https://zfu.de/antraege.html

Kosten: Die Zulassungsgebühr beträgt in der Regel nach der derzeitig gültigen Gebührenordnung 150% des Verkaufspreises des zugelassenen Fernlehrgangs.

Die Mindestgebühr für die Zulassung beträgt 1.050.00 €.

Für Fernlehrgänge mit einem geringen Verkaufspreis (unter 250 €) sind ermäßigte Zulassungsgebühren zu entrichten.

Dauer: Maximal 3 Monate, denn gemäß § 12a FernUSG gilt die Zulassung als erteilt, wenn nicht innerhalb von 3 Monaten nach Antragsstellung darüber entschieden wird.


WIE IST DEINE RECHTLICHE BEWERTUNG?

Schwierig.

Das BGH Urteil ist bereits aus dem Jahr 2009.
Es folgten vereinzelt Urteile in 2012, 2016 und ganz frisch am 01.03.2023.

Eine Abmahnwelle gab es aber bisher nicht und zufriedene Kunden klagen nicht.

Bis jetzt wurde die Zertifizierung hauptsächlich als Qualitätsmerkmal verwendet.

Rein aus juristischer Sicht halte ich allerdings nichts von „wird schon gut gehen“ oder „wo kein Kläger, da kein Richter“. Jeder sollte sein Kurskonzept überprüfen, ob das FernUSG anwendbar ist.

Gegebenenfalls reicht es bereits aus, wenn man die Aufzeichnungen weglässt.

Bei hochpreisigen Konzepten sollte man über eine Zertifizierung nachdenken.

Denn im „worst case“ können Kunden, sollte eine Zertifizierung erforderlich sein, auch noch 3 Jahre ab Ende des Jahres, in dem die Gebühr bezahlt wurde, diese zurückverlangen. Das gilt übrigens auch, wenn der Kurs komplett absolviert wurde.

Hinzu kommt das Abmahnrisiko durch die Konkurrenz.

Es ist eine Risiko-Abwägung.

Wenn mein gesamtes Business auf dem Online-Lernkonzept basiert, sollte dieses auch alle rechtlichen Erfordernisse erfüllen. Wenn der „Fernunterricht“ nur ein zusätzlicher, kostengünstiger Teil ist, kann die Abwägung gegebenenfalls anders ausfallen.


Das war viel Stoff, aber ich hoffe, ich konnte etwas Klarheit in die aktuelle Diskussion bringen.


Viele sportliche Grüße
Julia


ZUSATZINFO für Digistore24 Kunden:

Die gute Nachricht: Wenn du deine Kurse bei Digistore anbietest, hast nicht du das rechtliche Problem, sondern Digistore! Denn Digistore ist ein Reseller-System. Das bedeutet, Digistore hat dir den Kurs abgekauft und verkauft ihn selbst weiter.

Du erbringst lediglich die Leistung direkt an den Kunden (als Erfüllungsgehilfe für Digistore), hast aber mit diesem gar keine direkte Vertragsbeziehung. Damit muss auch Digistore sicherstellen, dass alle rechtlichen Vorgaben eingehalten sind.


UPDATE:

Mit Urteil vom 19.07.2023 (Az.: 304 O 277/22) schockte das Gericht Anbieter von Online-Kursen, Online-Coaching und E-Learning. Nach Auffassung des Gerichts seien synchrone Sessions per Video- Telefonie, also Zoom & Co, auch als räumliche Trennung zu werten. Damit würden auch Kurse mit über 50% Live-Anteil per Videotelefonie unter das FernUSG fallen.

Das LG Hamburg musste über ein Online-Coaching entscheiden. Zwischen den Parteien gab es Streit über die anfallenden Kosten. Das Gericht erklärte die vorzeitige Kündigung des Coaching-Vertrags für rechtmäßig und stützte die Entscheidung auf das FernUSG.

Meine rechtliche Einschätzung und Empfehlung für das weitere Vorgehen, habe ich in einem weiteren Blog-Artikel zum Fernunterrichtsschutzgesetz zusammengefasst. Lies gerne mal rein:


Julia beim Trainieren Julia Ruch
Triathletin, Anwältin für Sportrecht &
Expertin für Rechtssicherheit im Training und Wettkampf

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