Mehr Freiheit als Physio?! Rechtssicher arbeiten als Sektoraler HP.
07. Oktober 2025Lesedauer: 3:00 Minuten andreaobzerova - stock.adobe.com
Vor ungefähr fünf Jahren bin ich rechtlich in die Welt der Physiotherapie eingetaucht. Wer in das Wasser springt, dem begegnen zuallererst gaaaaaaaanz viele Abkürzungen – ich sage nur KGG, KMT, MLD, T-Rena, IRENA, ... und dann gibt es fieser Weise auch noch Abkürzungen wie BGM, die nicht wie vermutet für Betriebliches Gesundheitsmanagement steht, sondern für Bindegewebsmassage.
Dass die Physios mit ihren ganzen Richtlinien, Verordnungen und Vorgaben der Krankenkasse ganz andere Herausforderungen haben als Fitnessstudios wurde mir ziemlich schnell klar. Daher hatte ich mich damals dann auch entschieden neben Fitness, einen eigenen Beratungszweig „Gesundheit“ zu etablieren.
Da aber – spätestens seit Corona – Fitness und Physio immer weiter zusammenwachsen, ist es für beide Seiten durchaus wichtig, die rechtlichen Fallstricke der jeweils anderen Branche zu kennen. Das ist auch der Grund, warum ich den Newsletter immer noch nicht getrennt habe: also einen für Fitness und einen für Physio.
Deswegen braucht es auch spezialisierte Anwälte & Anwältinnen, denen man nicht erklären muss, wie ein Fitnessstudio von innen aussieht und was ein sektoraler Heilpraktiker für Physiotherapie ist.
Und um Letzteres soll es heute gehen.
Immer mehr Physios – insbesondere die, die von der GKV genervt sind - überlegen den Schritt zu gehen und zusätzlich die sektorale Heilpraktikererlaubnis (HP Physio) zu machen. Doch vielen ist bewusst: mit mehr Freiheit, kommt auch mehr Verantwortung.
Daher reden wir heute mal darüber, welche Rechte und Pflichten du als sektorale*r Heilpraktiker*in hast und wie du dich rechtssicher am Markt positionierst.
Check-in: Was ist ein sektoraler Heilpraktiker für Physiotherapie
Die sektorale Heilpraktikererlaubnis erlaubt es Physios, eigenständig physiotherapeutische Diagnosen zu stellen und Behandlungen durchzuführen, ohne dass dafür eine ärztliche Verordnung notwendig ist.
Das eröffnet neue Möglichkeiten:
Direkter Zugang zu Patient*innen, ohne Rezeptpflicht
Selbstbestimmte Preisgestaltung und mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit
Flexibilität, da Behandlungen auch außerhalb des Kassensystems möglich sind
Wichtig: Der sektorale HP Physio umfasst nur physiotherapeutische Verfahren – keine ärztlichen Leistungen, keine Verordnung von Hilfsmitteln zu Lasten der GKV und keine Verordnung von Arzneimitteln.
Umsatzsteuer, Freiberuflichkeit & Abrechnung: Was gilt?
Umsatzsteuer: Auch als „sektoraler HP Physio“ bleibst du als Physiotherapeut Freiberufler und musst auf Heilbehandlungen keine Umsatzsteuer zahlen.
Freiberuflich: Physios handeln grundsätzlich freiberuflich und Heilpraktiker sind ebenso Freiberufler, da ihre Tätigkeit nach § 18 des Einkommensteuergesetzes auch zu den Heilberufen zählt. Dies bedeutet, dass man von der Gewerbesteuer befreit ist und kein Gewerbeschein benötigt wird.
Wichtig zu wissen: Allerdings kann der Status als Freiberufler verloren gehen, wenn man neben der freiberuflichen Tätigkeit auch gewerblich tätig wird, wie z. B. Coaching anbietet, Nahrungsergänzungsmittel verkauft, Entspannungsmassagen anbietet usw.
Abrechnung außerhalb der GKV: Es gibt keine amtliche Gebührenordnung für HP-Physio, damit ist das Honorar frei kalkulierbar. Es sollte jedoch im Behandlungsvertrag schriftlich vereinbart werden. Ebenso muss vorab darauf hingewiesen werden, dass der Patient allein für die Erstattungsfähigkeit verantwortlich ist (GKV meistens nein, PKV/Beihilfe je nach Tarif) und dies keinen Einfluss auf die Bezahlung hat.
Unsere TOP 5 Fragen
Frage 1:Darf ich als HP in einer Physio-Kassenpraxis arbeiten?
Ja, da du als „sektoraler HP Physio“ im Rahmen deiner physiotherapeutischen Ausbildung tätig bist, darfst du auch in einer nach § 124 Abs. 4 SGB V zugelassenen Praxis arbeiten.
Etwas diffiziler ist es, wenn du den „großen“ Heilpraktiker hast und als solcher tätig werden willst. Eine Physio-Praxis soll nach den Rahmenverträgen der GKV von anderen Praxen getrennt sein, damit der Kassenpatient durch die HP-Tätigkeit nicht gestört und nicht negativ beeinträchtigt wird. Da aber nach dem aktuellen Rahmenvertrag Wartebereich und Toiletten gemeinsam genutzt werden dürfen, reicht es aus, wenn es getrennte Räume für den HP gibt und die Kassenpatienten diese nicht zwingend betreten müssen.
Frage 2:Muss ich den Titel „Sekt. HP“ zwingend führen?
Rechtlich ist nicht eindeutig geklärt, ob du den Titel „Heilpraktiker“ zwingend führen musst. Wichtig ist aber, dass für die Patientinnen klar erkennbar sein muss, dass sie auf eigene Kosten eine Heilpraktikerleistung in Anspruch nehmen. Dies sollte im Behandlungsvertrag und ggf. über zwei Praxisschilder klar erkennbar sein.
Frage 3:Delegation: Darf ich Behandlungen an andere Physios übertragen?
Auch das ist umstritten. Wir vertreten die Auffassung, dass du Behandlungen auch an angestellte Physios delegieren kannst, solange du die Diagnose erstellst. Allerdings vertreten verschiedene Bundesländer unterschiedliche Auffassungen – während z. B. Sachsen-Anhalt die Delegation erlaubt, sehen andere Länder das kritischer. Auch die Physio-Verbände sind sich da nicht ganz einig.
Empfehlung: Delegationen immer schriftlich dokumentieren, um im Streitfall abgesichert zu sein.
Frage 4:Muss ich Diagnosen auf Verordnungen oder Rechnungen angeben?
Auf Verordnungen ja, da die Diagnose wichtig ist, damit klar wird, ob es sich um eine steuerfreie Heilbehandlung handelt. Bei Rechnungen gibt es keine gesetzliche Pflicht, aber Privatkassen und Beihilfen verlangen dies oft. Mit Einverständnis des Patienten sollte die Diagnose daher aufgeführt werden.
Frage 5:Darf ich auch andere Verfahren, wie z. B. Osteopathie anbieten?
Nein, als sektoraler HP darfst du nur physiotherapeutische Techniken (Ausbildungsziel § 8 MPhG) anwenden. Vollständige Osteopathie setzt den großen Heilpraktiker voraus.
Fazit:
Der sektorale HP Physio verschafft dir diagnostische und unternehmerische Freiheit. Wer rechtskonform strukturiert, profitiert: kürzere Wege, klare Eigenhonorare, zufriedene Patienten.
Mit klarer Abgrenzung, guter Dokumentation und transparenter Kommunikation machst du aus mehr Verantwortung einen echten Wettbewerbsvorteil.
Wenn auch du Fragen zur rechtlichen Absicherung deines Business oder zur Umsetzung neuer Geschäftsideen hast, lass uns reden.
Buche dir gerne eine 1:1 Kurzberatung und in einem persönlichen Gespräch per Telefon oder TEAMS bekommst du direkt Antworten auf deine Fragen.
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