Selbstzahlerleistungen: Wichtige rechtliche Vorgaben für deine Physio-Praxis
17. September 2024
Lesedauer: 3:30 Minuten
Normalerweise liege ich mit Marketing-Agenturen im Klinsch, nun kommt auch ein Gerätehersteller dazu.
Den Marketing-Agenturen fahre ich regelmäßig in die Parade, wenn diese für unsere Mandanten aus der Gesundheitsbranche Websites und Social Media Posts mit Slogans gestalten, die gegen das Heilmittelwerbegesetz oder gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verstoßen.
Aber es gilt nun mal: Heilversprechen und
auch Wirkaussagen ohne wissenschaftlichen Nachweis sind verboten. Punkt.
Bei dem Gerätehersteller geht es um folgende zwei Streitpunkte.
- Müssen Geräte für KG am Gerät Medizinprodukte sein?
- Braucht es eine räumliche oder zeitliche Trennung zwischen Kassenpatienten und Selbstzahlern?
Streitpunkt 1: Müssen Geräte für KG am Gerät Medizinprodukte sein?
Die Gerätehersteller sagen nein und stützen sich darauf, dass das nirgendwo steht.
In Ziffer 3 der Anlage 5 des Vertrags nach § 125 Absatz 1 SGB V über die Versorgung mit Leistungen der Physiotherapie und deren Vergütung heißt es unter dem Punkt Ausstattung:
3.1.3 Geräte zur Durchführung von Übungsbehandlungen/Krankengymnastik.
Die Ausstattung der Therapiegeräte ist dabei so zu gestalten, dass die qualitative Versorgung der Patientinnen oder Patienten durch das Vorhalten geeigneter Therapiegeräte gesichert ist. Über Auswahl und Einsatz entscheidet der Leistungserbringer kompetenzorientiert unter Beachtung der Leistungsbeschreibung.
Ich gebe zu, der Begriff Therapiegerät wird nicht weiter definiert.
Jedoch heißt es in der Heilmittel-RiLi (zuletzt geändert am 18.04.2024), welche die Voraussetzungen, Grundsätze und Inhalte der Verordnungsmöglichkeiten von Heilmitteln durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie durch Krankenhäuser regelt:
D. Maßnahmen der Physiotherapie in § 19 Bewegungstherapie
4. Gerätegestützte Krankengymnastik (KG-Gerät*)
Sie dient der Behandlung krankhafter Schädigungen der Bewegungssegmente der Wirbelsäule, Schädigungen der Muskelfunktion (Muskelkraft, -ausdauer, -koordination und -tonus) einschließlich motorischer Paresen mittels spezieller medizinischer Trainingsgeräte, vor allem bei [...].
Wenn der verordnende Arzt KG-Gerät rausschreibt und laut Heilmittel-RiLi Voraussetzung ist, dass diese „mittels spezieller medizinischer Trainingsgeräte“ zu erfolgen hat, würde ich dir als Physiotherapeut raten, die Behandlung an Medizinprodukten durchzuführen. Einfach um Ärger bei der Abrechnung mit der KK zu vermeiden.
PRAXISTIPP:
Wenn du die Anschaffung hochpreisiger Geräte planst, lass dir vom Verkäufer bestätigen, dass das Gerät im Rahmen einer konkreten Maßnahme zur Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen verwendet werden kann. Solltest du dann später mit der KK Probleme bekommen, dass das Gerät doch in diesem Rahmen nicht verwendet werden kann, kannst du dich vom Kaufvertrag oder Leasingvertrag lösen und das Gerät gegen Kostenrückerstattung zurückgeben.
Natürlich kannst du auch bei der KK vorher direkt nachfragen, um herauszufinden, ob die Benutzung des Gerätes bei gesetzlich Versicherten zulässig ist.
Warum ich im Rahmen der Physiotherapie als Therapiegeräte aus rechtlicher Sicht grundsätzlich Medizinprodukte empfehle, habe ich schon in einem anderen Blogartikel beschrieben:
Medizingeräte vs. Trainingsgeräte: Wer braucht was?
Streitpunkt 2: Räumliche oder zeitliche Trennung zwischen Kassenpatienten und Selbstzahlern?
Die Außendienstler sagen nein, ich sage ja.
Warum?
Das Kernthema ist auch hier die Abrechnung mit der KK.
In Nr. 11 Absatz 5 des Rahmenvertrags zwischen dem Spitzenverband der Krankkassen und Verbänden der Physiotherapie heißt es:
„Sofern während der Öffnungszeiten in der Praxis oder angrenzend an die Praxis weitere Leistungen außerhalb der Heilmitteldisziplin angeboten werden, muss neben einer ungestörten Heilmittelabgabe gewährleistet sein, dass die oder der Versicherte, die für diese Leistungen separat vorzuhaltenden Räume oder Bereiche nicht betreten muss . Wartebereich und Toiletten können gemeinsam genutzt werden.“
Wenn der gesetzlich versicherte Patient, für die Heilmittelabgabe die Räumlichkeiten, in denen sonstige Leistungen erbracht werden, nicht betreten soll, dann muss man im Umkehrschluss sicherstellen, dass es entweder eine räumliche Trennung zwischen Kassenpatienten und Selbstzahler gibt oder eben eine zeitliche Trennung (z.B. vormittags Kassenpatienten, nachmittags Selbstzahler). Oder wenn große Räumlichkeiten vorhanden sind, eben eine Trennung durch Schiebewand.
Interessant zu wissen:
In § 11 Abs. 5 heißt es auch
„weitere Leistungen außerhalb der Heilmitteldisziplin“, daraus kann man ableiten, dass auf eine räumliche/ zeitliche Trennung bei Selbstzahlerleistungen verzichtet werden kann, wenn diese auch ärztlich verordnet werden könnten.
Das ist aber bei weiterführendem Fitnesstraining an Geräten nach abgeschlossener Behandlung nicht der Fall.
Wie sind deine Erfahrungen?
Wie handhabst du es in deiner Praxis?
Lass uns diskutieren, ich lass mich auch gerne eines Besseren belehren.
Schreib mir oder buche dir gerne ein kostenloses Kennlerngespräch!
Viele sportliche Grüße
Julia
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Julia Ruch
Triathletin, Anwältin für Sportrecht &
Expertin für Rechtssicherheit im Training und Wettkampf
aktivKANZLEI
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