Scheinselbstständigkeit: Unfair behandelt oder unternehmerisches Risiko?

16. Dezember 2025 Lesedauer: 3:00 Minuten
Fitnesskurs
 



Neulich hat der WDR bei mir angerufen und angefragt, ob ich als Expertin beim Thema Scheinselbstständigkeit für ein kurzes Interview Zeit hätte. Es würde um das aktuelle Vorgehen von McFit (bzw. RSG Group) gegenüber Kurstrainern gehen.

„McFit verlangt plötzlich Miete von Kurstrainern – ist das legal?“
„Werden die Trainer systematisch ausgebeutet – muss man die Trainer nicht schützen?“
„Wie können die Trainer sich wehren?“

Ausgestrahlt wurde am Ende – wie so oft – nur ein kleiner Ausschnitt.
Was im Beitrag fehlte, waren die rechtlichen Zwischentöne, die Einordnung und vor allem: das große Ganze.

Und genau das sorgt gerade für massive Verunsicherung in der Fitnessbranche.

Deshalb hole ich das hier nach.

Nicht als Radio-O-Ton in 20 Sekunden – sondern ausführlich, verständlich und ehrlich. Denn aktuell sehe ich vor allem eins:

Trainer, die Angst haben.

Studios, die hektisch reagieren.

Und ein Thema – Scheinselbstständigkeit –, das jahrelang verdrängt wurde und jetzt mit voller Wucht auf die Branche trifft.

Frage 1:
Werden vor allem Kurstrainer:innen systematisch ausgebeutet: niedrige Honorare (40–50 €/Stunde minus Steuern/Miete), fehlende Absicherung etc.?

Antwort:
Beim Thema muss man unterscheiden:
Bin ich selbstständig, arbeite ich also als Kurstrainer oder PT auf Honorarbasis oder bin ich Angestellter.

Wenn ich selbstständig bin, muss ich mich auch wie ein Unternehmer verhalten und bin komplett für mich alleine verantwortlich, z. B. Angebote schreiben, Preise festlegen, KV, RV usw.

Das bedeutet auch, dass ich als Unternehmer als PT oder Kurstrainer die Preise für meine Tätigkeit auch selbst und frei festlegen kann – ich habe diese unternehmerische Freiheit und gleichzeitig ein unternehmerisches Risiko.

Ich gebe also selbst die Konditionen vor.

Wenn ich für eine Studio-Kette tätig bin, gilt da nichts anderes.

Das diese aufgrund der Marktposition anders agieren, ist unschön, aber kein Trainer wird gezwungen, dort zu arbeiten. Viele haben das gemacht, weil Ketten eine Infrastruktur zur Verfügung gestellt haben, was das Arbeiten für Trainer einfach gemacht hat.
Was die Höhe der Honorare angeht, gibt es Gerichtsentscheidungen, die sagen, dass es mindestens 40,00 € netto braucht, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, in größeren Städten wie Hamburg hat man 60,00 € netto angenommen.


Frage 2:
Die Regel bei McFit: Vorauszahlung von 80–120 € Miete ohne Rückerstattung bei Krankheit/Urlaub – ist das legal?

Antwort:
Rein formaljuristisch hat die RSG wozu McFit gehört nichts falsch gemacht.

Die Verträge sind, nach den mir vorliegenden Unterlagen, grundsätzlich wirksam, aber nicht zwingend fair oder sinnvoll für Trainer.

Die Kurstrainer sind oftmals als freiberuflicher Lehrer beim Finanzamt eingestuft und damit fallen sie auch unter das Thema Scheinselbstständigkeit, also eigentlich heißt es abhängige Beschäftigung. Aktuell gibt es die Übergangsregelung, bedeutet, dass bis Ende 2026 die Studios und Honorartrainer ihre Zusammenarbeit überprüfen und anhand der Prüfkriterien die sich u. a. aus dem Herrenbergurteil ergeben umstellen und Verträge anpassen müssen.

Ein Kriterium ist, dass der selbstständige Kurstrainer, Nutzungsgebühren für die Räume und Materialien zahlen muss. Was auch objektiv nachvollziehbar ist, weil kein Unternehmer einem anderen Unternehmer kostenlos Räume und Materialien zur Verfügung stellen würde.

Früher hat man argumentiert, dass man das bei den Honorarverhandlungen berücksichtigt hat, das haben die Gerichte so aber nicht akzeptiert, weil auch dann das Honorar viel zu gering wäre. Das Erheben von Mietzahlungen ist also eine Konsequenz aus dem Thema Scheinselbstständigkeit und rechtlich auch total nachvollziehbar ... auch wenn die Art und Weise wie es die RSG gemacht hat, nicht die feine englische Art gewesen ist.


Frage 3:
Welche arbeitsrechtlichen Schutzmechanismen fehlen in der Fitnessbranche, damit Trainer:innen nicht ausgebeutet werden – Mindestlohn, Urlaubsregelung oder Tarifverträge?

Antwort:
Wer selbstständig sein will und unternehmerische Freiheit für sich in Anspruch nehmen will, muss sich um seine Absicherung selbst kümmern.

Ich persönlich sehe keine Veranlassung für eine Angleichung an den angestellten Trainer.
Wenn jemand als angestellter Trainer tätig ist, gibt es ja Mindestlohn, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, fester Urlaub usw. - wenn man das für sich möchte, muss man sich anstellen lassen.


Frage 4:
Was raten Sie betroffenen Trainer:innen: Vertrag prüfen, klagen, organisieren – und wie könnten Gesetze diese „Ausbeutung“ in Fitnessstudios stoppen?

Antwort:
Die mir vorgelegten Verträge der RSG waren formaljuristisch in Ordnung, wenn auch aus Sicht einer erfahrenen Trainerin finanziell und rechtlich nicht wirklich angemessen. Ich würde daher nicht zur Klage raten.
Niemand muss als selbstständiger Trainer für die RSG arbeiten. Jeder Selbstständige kann für sich Preise festlegen und verhandeln und muss dann für sich abwägen, nehme ich die Vorgaben der RSG in Kauf oder suche ich mir andere Auftraggeber.

Anders sieht das aus, wenn man in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis ist, wie es bei Angestellten der Fall ist. Dort greifen arbeitsrechtliche Schutzmechanismen. Aber bei Selbstständigen steht die unternehmerische Freiheit im Vordergrund und mit dieser geht nun mal auch ein wirtschaftliches Risiko einher.


Mein Fazit
Das aktuelle Vorgehen ist kein willkürlicher Angriff auf Honorartrainer, sondern das Ergebnis eines jahrelang ignorierten Problems:

Unklare Vertragsmodelle, unrealistische Honorare und ein falsches Verständnis von Selbstständigkeit.

Jetzt wird nachjustiert – leider für viele sehr abrupt.

Wenn du dein Studio absichern willst, vereinbare ein kostenloses Kennlerngespräch und ich zeige dir, was wir für dich tun können.




Viele sportliche Grüße

Julia



Julia Ruch
die Anwältin für die Fitness- & Gesundheitsbranche
Inhaberin der aktivKANZLEI
und aktive Triathletin

aktivKANZLEI
j.ruch@aktivkanzlei.de


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